3ZU2 RAUM UND BILD
Boris Doempke ist Maler und Bildhauer. Simultaneität ist das übergreifende Thema seiner Arbeiten und bildet einen Ariadnefaden, der sich durch sein Werk zieht und es prägt. Simultaneität also Gleichzeitigkeit von Gegensätzen, widersprüchlichen Ereignissen, Erscheinungen und Erfahrungen. Gegensätze, die eine eigene Dynamik entwickeln, die nebeneinander existieren, ineinandergreifen und sich wiederum gegenseitig aufheben können. Boris Doempke führt Dinge zusammen, die man nicht als zusammengehörig vermutet. Genau genommen sind es Paradoxien, die in seinem Werk in spezifischer Weise eine Verlaufsform annehmen. Ohne Aufdringlichkeit und Effekthascherei, vielmehr gekonnt und zugleich subtil werden zeitlich oder räumlich nicht aufeinanderfolgende Ereignisse in einem Bild oder einer Installation zusammengeführt. So entsteht eine Sphäre komplexer Gleichzeitigkeit des Geschehens, die Doempke in seinen Arbeiten befragt und verhandelt. Seine Kunst veranschaulicht die Simultaneität einer Dynamik widersprüchlicher Ereignisse und Eindrücke, welche die vielschichtigen Facetten unserer Lebenswirklichkeit ausmachen.
„Was mache ich mit Farbe im Raum“? „Wie transportiere ich die Bild- und Formenwelt der Malerei in den Realraum“? „Wie verschränke ich Zwei- und Dreidimensionalität“? – Fragen, die sich Boris Doempke stellt. Fragen, um die seine Untersuchungen kreisen und in verschiedenen Werkgruppen stets neu zur Geltung gebracht werden. Doempke überträgt Elemente des Bildhaften in den Raum. Die Bild- und Formenwelt der Malerei wird in den Realraum transportiert, Bild und Raum, Zwei- und Dreidimensionalität simultan ineinander verschränkt, eben „3zu2 Raum und Bild“, so auch der Titel der Ausstellung. Diese Arbeiten sind weder Skulptur noch Malerei, weder das eine noch das andere, vielmehr sind sie gattungsübergreifend konzipiert und fungieren als Zwitterwesen mit einer eigenen Formensprache. Paradoxien erhalten eine Gleichzeitigkeit: Simultaneität wird zur künstlerischen Grammatik und steht im Focus seiner ästhetischen Strategien.
Die raumbezogene Installation im Kunstverein Bremerhaven schreibt die Werkgruppe „Tales of space“ fort und tritt dem Betrachter als hängende Skulptur und als Geflecht von Linien im Raum gegenüber. Schwebende Farben und eine ausgreifende Struktur sind bestimmendes Moment dieser
Installation: Ein fragiles Gebilde aus rot und weiß lackierten Stäben aus Holz in unterschiedlicher Stärke und Länge, mal gerade, mal gebogen, das an wenigen Punkten an Wänden und Decke des Raumes befestigt ist. Die für den Kunstverein entwickelte Arbeit gewinnt ihre Gestalt aus dem Dialog mit der Architektur, aus dem räumlichen Umfeld, das nicht als Kulisse fungiert, sondern zum integralen Bestandteil der Arbeit wird.
Das Verhältnis von Arbeit und Betrachter ist dynamisch, das jeweilige Bild von der Arbeit verändert sich, sofern sich der Betrachter im Raum bewegt. Installationen sind stets vom Bild her gedacht, sie oszillieren zwischen der zweiten und dritten Dimension. Malerei wird verräumlicht, so findet eine Übertragung des Bildhaften in den Raum statt. Seine raumbezogenen Arbeiten sind eine Anordnung von Material im Raum und zugleich ein Bild im Raum. Ist eine Ansicht bildhaft dominant, entsteht im räumlichen Umschreiten eine Motorik sich ständig wandelnder Bilder.
Boris Doempke beschäftigt sich in seiner Malerei mit den Bedingungen von Räumlichkeit, Simultaneität und der Vielgestaltigkeit heutiger Lebenswirklichkeit. Oftmals verweist die Formensprache auf unsere technisch-medial geprägte urbane Realität. Seine Malerei ist dynamisch angelegt, der Aufbau der Leinwände irritiert das Auge des Betrachters und zwingt es auf der Fläche hin- und herzuwandern, um die wechselnden Verschränkungen zu erfassen. Außerbildliche Erfahrung und Wahrnehmung urbaner und digitaler Räume übersetzt Doempke souverän in innerbildliche Strukturen. Somit zielen seine Arbeiten auf Realität und sind gleichermaßen Abstraktion dieser Realität.
Der 1955 geborene Boris Doempke hat in Münster und Berlin Kunst studiert, war Meisterschüler und Mitbegründer der Produzentengalerie „Der Standort – Raum für Installation“ in Berlin und Co-Kurator des Fördervereins Aktuelle Kunst in Münster. Er lebt in Bremerhaven und Münster. Im Kunstverein ist eine raumgreifende Installation aus der Reihe „Tales of space“ zu sehen, darüber hinaus Malerei aus den Werkgruppen „City scans“ und „Screenland“, Wandreliefs und Papierarbeiten.
Dr. Joachim Kreibohm